Wir segeln nicht mehr im Passat!
Anfang Mai hatten wir das Boot für
unsere Atlantiküberquerung II gecheckt und mit Nahrung und Getränken
für mehr als 30 Tage zugestopft. Aber leider ließ der Wetterbericht
uns nicht fahren. Flaute!
Am 4. Mai sah es dann so aus, als
könnten wir fahren. Vorhersage: Ein Tag schwacher Wind, dann Flaute
für einen Tag und dann für mehrere Tage Ost 10-15 Knoten
rechtdrehend auf Süd.
Da sind wir los, schließlich haben wir
einen Motor und genügend Diesel gebunkert. Die ersten 4 Stunden
konnten wir auch mit 3 Knoten segeln, danach war Flaute. Also nach
Plan: Motor an und weiter. Allerdings wollte die Flaute nicht
aufhören, aber unser Diesel wurde immer weniger. Wir hatten uns
vorgenommen, nur maximal die Hälfte des Sprits zu verfahren, da man
ja nie weiß, was noch passiert. Am 06. Mai haben wir dann den Motor
aus gemacht und standen mitten auf dem Atlantik ohne auch nur einen
Hauch von Wind. Die See war spiegelglatt.
Die Dünung schaukelte das Boot hin und
her, so dass wir die Segel bergen mußten, der Tank war mittlerweile
auf Reserve und die Temperatur unter der Sprayhood betrug 40°C.
Es wollte keine besondere Stimmung
aufkommen und der Geburtstag von Andreas wurde nicht groß gefeiert.
Die einzige tolle Überraschung war der Anruf seines Bruders auf dem
Satelitentelefon genau in dem Moment, als wir den neuen
Wetterbericht einholten. Nachmittags haben dann den ersten von drei
20l-Kanistern nachgetankt und sind langsam durch die Nacht motort,
damit die Schaukelei besser zu ertragen ist. So haben wir wenigstens
noch ein Etmal von 75 Seemeilen geschafft. Viel haben wir darüber
gehört, dass man durch ein großes bekalmtes Gebiet fahren muss,
aber 3 Tage am Stück direkt am Anfang und so krass, damit haben wir
nicht gerechnet und uns wurde klar, dass das hier noch ziemlich lange
dauern kann. Wir waren so angespannt, dass keiner von uns in der
Nacht viel geschlafen hat. Für unsere eigene Vorgabe, „Flauten
sitzen wir aus und warten einfach auf Wind, deshalb ist nicht soviel
Reservediesel nötig“ müssen wir erst noch unsere Nerven
trainieren. Deshalb haben wir den Entschluss gefaßt, das passiert
uns auf dem Weg zu den Azoren nicht wieder. Auf den Bermudas
versuchen wir Kanister für weitere 100 l Diesel zu kaufen, nicht
weil wir glauben, damit jegliche Flaute zu durchfahren, aber so kann
man wenigstens Nachts etwas ruhiger fahren und schlafen. In den
ersten 3 Tagen haben uns übrigens 2 Segelboote mit richtig viel
Speed überholt. Wie groß wohl deren Tank ist??
Am Dienstag kam zum Glück später noch
Wind auf und wir segeln mit 3-4 Knoten Richtung Bermuda. Hoffentlich
hält das so an.
Tatsächlich hat der Wind
durchgestanden, am Mittwochabend frischte es sogar bis zu 20 kn auf.
Deshalb wollten wir vorsorglich das erste Reff für die Nacht
einbinden. Um das Reffen zu vereinfachen, starteten wir die Maschine,
aber sobald wir einkuppelten ging sie wieder aus. Nach dem 3. Versuch
hat Andreas die Welle kontrolliert, nichts drehte sich! Unser erster
Gedanke war, dass sich das Wellenlager festgesetzt hat. Also erst
einmal reffen und das Boot wieder auf Kurs bringen. Mittlerweile war
es auch stockduster. Der Frust war groß, schon wieder etwas kaputt,
400 Seemeilen von den Bermudas entfernt. Wahrscheinlich muss dass
Schiff raus aus dem Wasser, um repariert zu werden. Was ist, wenn
wieder Flaute kommt, Wieviel Zeit wird es uns kosten, bis wir weiter
können, was ist mit der Hurrikansaison?. Fragen über Fragen! Drei
Alternativen hatten wir auf die Schnelle zur Hand: Zurückfahren und
das Boot einlagern (teuer), direkt zu den Azoren segeln (ohne Motor
kann das sehr langwierig werden). Die dritte Alternative erschien als
die logischste, weiter zu den Bermudas, alles reparieren lassen
(vielleicht ein bis zwei Wochen) und dann noch schnell weiter auf die
Azoren. Zur Frustbekämpfung gab es erst einmal ein Bier und dann
abwechselnd Schlaf. Am nächsten Morgen um 06.00 Uhr stellte Andrea
dann fest, es ist wahrscheinlich nicht das Lager, sondern ein großes
grünes Netz, was wir uns eingefangen haben und bis zu 3 Metern
hinter unserem Boot hergeschleppt wurde.
Aufgrund des Seegangs (und der Angst
vor Haien) kann man aber nicht ins Wasser und es einfach abschneiden.
Wir fahren jetzt als Schleppnetzfischer in den Hafen der Bermudas und
organisieren uns einen Taucher (nachts fahren wir aber weiter die
Tricolour und nicht Grün über Weiss). Zum Glück haben wir uns das
Netz beim Segeln gefangen und nicht während unserer Motorboottour,
so dass hoffentlich nicht all zu viel Schaden passiert ist. Durch das
Netz segeln wir jetzt langsamer, aber vor Montag morgen brauchen wir
eh' nicht da sein, denn sonntags finden wie ja so wie so keine Hilfe.
Man sagt allgemein, jeder Segler fängt sich einmal im Leben eine
Leine in der Schraube. Wir glauben, dass kann gar nicht stimmen,
schließlich räumen wir alles weg. Erst La Coruna, dann Madeira und
jetzt auf dem Weg zu den Bermudas. Aber ansonsten ist das Segeln hier
jetzt schön (nachdem der Frust überstanden und wir ausgeschlafen
sind), 15-20 kn Wind ohne starke Böen von der Seite, wir kommen gut
vorwärts, das letzte Etmal betrug 114 Seeimeilen.
Die nächsten Tage ging es auch so
weiter. Wäre nicht unser Netzproblem, hätten wir eine richtig
schöne Zeit gehabt. Aber so hatten wir immer Sorge, dass noch irgend
etwas anderes kaputt gehen könnte. Zeitweise hatten wir das Gefühl,
dass unsere Windsteueranlage doch sehr starke Geräusche von sich
gibt, der Baum komisch knackt …... u.s.w. Im Nachhinein waren wir
jetzt froh, dass wir doch so viel Sprit verfahren haben, denn zu
gebrauchen war er jetzt eh' nicht mehr. Am Sonntag Mittag haben wir
dann das Tempo stark verlangsamt, damit wir sicher am Montag im
Hellen ankommen. Um 23.00 Uhr haben wir dann den ersten Funkkontakt
mit den Bermudas hergestellt. Wir waren knapp 50 Seemeilen von der
Insel entfernt und trotzdem konnten wir super gut funken. Wir haben
darum gebeten, dass für uns für den nächsten Morgen eine
Schlepperhilfe organisiert wird, damit wir in den Hafen fahren
können. Zum Abschluss bekamen wir dann die Information, dass wir uns
20 sm vor der Insel noch einmal melden sollen. Mittlerweile war in
der Funkstation des Seenot-Koordinationszentrums Bermuda Radio wohl
Schichtwechsel, denn um 03.00 Uhr nachts wurde wir angefunkt und
wurden gefragt, ob wir die Hilfe immer noch benötigen und ob wir in
den Hafen St. George einlaufen wollen. Danach wurde eine komplette
Checkliste an uns abgearbeitet. Fragen nach den allgemeinen Daten
unseres Schiffes, aber man wollte auch die Registrierungsnummer der
Epirb und die Nummer unsere Satelitentelfones haben. Zum Glück
hatten wir den Tag über den Funk verfolgt, so dass wir auf dieses
Gespräch gut vorbereitet waren. Um 06.00 Uhr kam ein weiterer
Funkspruch. Man fragte unsere augenblickliche Position ab und teilte
uns mit, dass wir uns noch lange gedulden müssen. Mittlerweile
hatten wir 25 kn Wind und eine 3 m hohe Welle, aber auf Grund der
gebotenen Langsamkeit nur 2 kn Fahrt im Schiff. So schaukelten wir
Richtung Bermudas. Um 07.30 Uhr erhielten wir einen weiteren
Funkspruch mit dem Hinweis auf Chanel 12 zu wechseln und dort mit
unserem Schlepper zu sprechen. Plötzlich ging alles rasant schnell:
Ein Pilotboot der Rescue war direkt vor uns, sagte Hallo und warf uns
kurz danach die Schleppleine zu. Und dann ging die Post ab. Die
Grundgeschwindigkeit belief sich wohl nur auf 6 kn, aber die Welle
runter fühlten wir uns wie damals im Race von Alderney, 10,9 Kn auf
der Logge über Grund.
Man brachte uns auf einen Ankerplatz
direkt vor dem Customsoffice und wollten für all das überhaupt kein
Geld von uns haben. Unser Schlepper hatte seinen Standort direkt vor
dem Einklarierungsbüro, deshalb haben wir eine Palette karibisches
Bier mitgenommen und uns für das Schleppen noch einmal bedankt.
Damit hatten sie wohl nicht gerechnet und waren hell erfreut. Als
Andreas dann fragte, ob sie vielleicht eine Adresse von einem Taucher
hätten, der das Netz wegschneiden kann, hat der Kapitän auf seinen
Mitarbeiter gezeigt und gesagt: Er ist Taucher. Daraufhin haben wir
vereinbart, dass er nachmittags vorbei kommt und sich um unser Netz
kümmert. Das war schon einmal ein grandioser Einstieg an einem Ort,
von dem wir überhaupt keine Vorstellung hatten. Beim Customs ging
die Freundlichkeit dann weiter. Nachdem alle Formulare ausgefüllt
und die 70,- US$ Taxe bezahlt waren ist der Officer mit uns vor die
Türe gegangen und hat uns auf die wichtigsten Einrichtungen seiner
Stadt hingewiesen. Obwohl schon andere im Büro standen, die sich
auch anmelden wollten, ist er mit uns ins Nachbargebäude
geschländert, um uns zu zeigen, wo wir kostenfrei ins Internet
können. Auch wurde uns von ihm die Lage des Supermarktes, der
verschiedenen Schiffshändler, der historischen Kirche und der Bank
kurz beschrieben. Mittlerweile war es kurz vor 12.00 Uhr, deshalb hat
er uns schnell noch ein Schauspiel ans Herz gelegt, wo Szenen aus dem
16. Jahrhundert nachgespielt werden, in denen Frauen die als Hexe,
Hure oder Schwätzerin verschriehen wurden bestraft wurden indem sie
7 mal ins Wasser gedöppt werden.
Nach einem kurzen Rundgang durch diese
kleine, aber sehr schöne Stadt sind wir zurück zum Boot gefahren.
Hier gab es die nächste positive Überraschung. Unser Taucher war
mit der Arbeit schon fertig. Er hat mal schnell seine Mittagspause
genutzt und hat das Netz entfernt, obwohl wir gar nicht an Bord
waren. Dafür hat er dann 80,-- Dollar verlangt mit dem Hinweis, dass
die Bermudas doch sehr teuer sind. Wenn man bedenkt, dass wir damals
in La Coruna 300,-- Euro hätten bezahlen sollen, ist die Geschichte
für uns total gut ausgegangen.
Zu guter Letzt haben wir „Josh“
wieder getroffen, der uns spontan auch noch zu einem Mittagessen
eingeladen hat. Während wir diese Zeilen hier schreiben, sitzen wir
total relaxt im Cockpit und freuen uns auf ein paar wunderschöne
Tage auf den Bermudas.
Good bye!
Andrea & Andreas
Zitat:
Es ging langsam voran, wir kamen
trotzdem voran, ein Hurra auf die Reise, denn wir kamen glücklich an
(Achim Reichel).