Samstag, 15. Juni 2013

Atlantiküberquerung II

Montag, 27.05.2013, 12.00 Uhr UTC

Wir sind nun 6 Tage auf See und endlich haben wir uns eingewöhnt. Die Rückreise ist schon etwas anderes als der Hinweg, sowohl mental als auch physisch. Dauernd beschäftigen wir uns damit, was wohl passiert. Segelt man zu weit nördlich besteht die Gefahr, in ein Tief zu geraten mit mehr als 40 Knoten Wind. Segelt man zu weit südlich, hat man dauernd Flaute. Unser Ziel ist es, genau dazwischen zu bleiben, aber man weiss nie, ob das so klappt. Zum Glück bekommen wir regelmäßig Wetterberichte auf das Satellitentelefon geschickt. Das hilft! An dieser Stelle ein dickes „Danke“ dafür. Aber der Reihe nach:
Nachdem wir endlich das Ausklarieren hinter uns gebracht und uns bei Bermuda Radio die Erlaubnis zum Verlassen des Hafens geholt haben, ging es am 21.05.2013 los Richtung Azoren. Gemeinsam mit der deutschen Segelyacht „Josh“ ging es Richtung Nord. Kein Wind, also Motor an, 5 Knoten Fahrt bei schönstem Sonnenschein. Dafür hatten wir auf den Bermudas durch 3 weitere Kanister extra unsere Dieseltanks erweitert. Abends und morgens haben wir regelmäßig gefunkt, es war schön am Anfang nicht alleine zu sein. Nach 2 Tagen kam dann endlich Wind auf (48 Stunden motoren macht Kopfschmerzen), also Motor aus, Segel hoch und Kurs 75° Richtung Azoren. Die erste Nacht unter Segeln war angenehm mit 15 Knoten Wind. Am dritten Tag frischte es auf 20 kn, manchmal bis 25 kn auf. In der Nacht fuhren wir gerefft mit 4 kn über Grund, so dass am nächsten Tag die „Josh“ nicht mehr im Funkbereich war. Sie waren südlicher mit Kurs 85° und schneller. Die letzten 3 Tage blieb der Wind auch so. 15 bis 25 kn Wind aus südsüdöstlicher Richtung bei unserem Kurs von ca 75° über Grund (abhängig davon was unsere Windsteueranlage „Moni“ gerade für richtig empfand) war das ein Hoch-am-Wind-Kurs mit entsprechender Krängung und Welle schräg von Vorne. Das führte zu bunten blauen Felcken, wenn man sich nicht richtig festhielt, die Kaffeekanne fiel vom Herd, die warme Küche war ein wenig eingeschränkt. Segeln auf Backbordbug, die Toilette auf Steuerbord, es ist ein akrobatisches Erlebnis. Dauernd schlugen Wellen mit einem Knall an die Bordwand oder Gischt spritzte auf und übergoss das Cockpit. Wenn man nicht unter der Sprayhood war, hatte man schnell mal eine Salzwasserdusche. Nachts wurde es klamm und kalt, T-Shirt-Segeln war vorbei. Jogginghose, dünnes Fleece, Segelhose, dickes Fleece, Segeljacke, Socken und SCHUHE. So etwas hatten wir schon ewig nicht mehr an. Was machen wir bloß, wenn wir erst den englischen Kanal erreichen?
Segeln macht Spaß?
3 Tage viel Wind hat aber auch den Vorteil der Gewöhnung.  Allmählich segelten wir immer schneller. Tagsüber war das meist kein Problem, aber die Geräusche und Bewegungen in der Nacht auszuhalten, war etwas anderes. Aber es funktionierte. Letzte Nacht sind wir teilweise mit 6-7 kn durch die See gefahren, so dass wir nach 24 Stunden insgesamt einen Durchschnitt von 5 kn, also ein Etmal von 120 Seemeilen erreicht haben.
Ja, Segeln macht Spaß, man muss nur genügend Zeit haben, seine Sorgen und Ängste zu überwinden.

Freitag, 31.095.2013, 12.00 Uhr UTC

Am nächsten Tag haben wir mit einem Etmal von 130 Seemeilen unser Ergebnis vom Vortag noch einmal verbessert. 250 Seemeilen an 2 Tagen, Flores wir kommen!
Leider hat dann der Wind auf Nordost gedreht, unsere Kursrichtung. 15 bis 20 Knoten, teilweise 25 kn direkt gegenan. Statt mit 80° sind wir 2 Tage mit 120° wieder weiter nach Süden gesegelt. Anfangs war das kein großer Umweg, aber bei knapp 166 Seemeilen gesegelte Strecke, haben wir uns „nur“ 139 Seemeilen unserem Ziel genähert. Also ein Umweg von 27 Seemeilen. In Anbetracht der Wetterlage kein schlechtes Ergebnis. So konnten wir wenigstens mit 5 Knoten segeln. Unser Ziel war immer, einen Mittelweg zwischen Geschwindigkeit und Kursrichtung zu finden. Zu hoch am Wind  bringt niedrige Geschwindigkeit und Unbequemlichkeit beim Feststampfen in der Welle, fällt man jedoch zu weit ab, verlängert sich die Strecke erheblich. Kreuzen fiel auch aus, da eine Wende uns in Richtung 350° gebracht hätte, zwar nördlicher, aber weg von unserem Ziel. Der Himmel war bedeckt, ab und zu wurde das Schiff durch Regen vom Salzwasser befreit, die Stimmung war gut. An 3 Morgen hintereinander begrüßten uns Delfine in der Morgendämmerung. Gestern haben wir dann irgendwo zwischen 37° Nord und 46° West unseren Hochzeitstag gefeiert. Die in „Location“ war super und das Essen prima. Heute hat uns dann die Flaute erwischt, so dass wir jetzt durch eine motorfahrt unsere Batteriebänke auffrischen und gleichzeitig wieder Strecke nach Nord gutmachen können. Morgen soll der Wind auf Südwest drehen. Wollen wir mal hoffen, dass der Wind den Wetterbericht kennt.

Sonntag, 02.06.2013, 12.00 Uhr UTC

Tatsächlich drehte der Wind und wir konnten unser Ziel Flores anliegen. Der Himmel sah den ganzen Tag nach Regen aus und es war ziemlich kalt. Aber es regnete nicht. Morgens und nachmittags kamen wieder Delfine und kurz vor der Abenddämmerung tauchte ca. 40 Meter neben uns ein Wal auf. Wir hatten schon öfter Wale am Horizont blasen sehen und immer gehofft, die kommen nicht zu nahe. Aber gestern Abend war es dann so weit. Es ist schon imposant, wenn neben einem ein Tier auftaucht, welches genauso groß ist wie unsere „Lady“. Zum Glück hatte er schnell sein Interesse an uns verloren und schwamm vor uns davon. Die gesamte Reise hatten wir immer ein ungutes Gefühl im Hinblick auf die Begegnung mit Walen. Aber es war doch sehr beeindruckend. Augenblicklich schaukeln wir wieder mal mit 3,5 bis 4 kn vor dem Wind unserem Ziel entgegen. Bei der augenblicklichen Wetterlage lernt man Geduld. In den letzten 2 Tagen hatten wir nur noch Etmale von 80-90 Seemeilen.

Donnerstag, 06.06.2013, 13.00 Uhr UTC

Augenblicklich durchlaufen wir die Lektion „Geduld für Fortgeschrittene“. Gestern war nicht einmal ein Lufthauch zu spüren. Also mußten die Segel geborgen werden und waren über 36 Stunden auch nicht zu gebrauchen. Da wir uns am Rand des Golfstromes aufhalten, kommt es immer mal wieder zu Gegenströmungen, was dazu führte, dass wir 6 Seemeilen zurück getrieben wurden. In der Abenddämmerung haben wir neidvoll ein Segelboot beobachtet, welches uns am Horizont mit Motorkraft überholt hat. Wir haben zwar auch noch Diesel, aber leider nur für maximal 150 bis 200 Seemeilen, unser Ziel ist aber noch 330 Seemeilen entfernt. Heute morgen dann ein leichter Luftzug von Achtern. Die Fock raus, ausgebaumt und mit 1 kn Fahrt über Grund versuchen wir die verloren gegangenen Meilen wieder aufzuholen. 2 Tage an der gleichen Position! Bei unserem letzten Kreuz in der Karte (immer um 12.00 Uhr UTC) brauchten wir nur ein neues Datum dazu schreiben. Die Flaute geht ganz schön an unsere Nerven, eigentlich wollten wir morgen ankommen, doch plötzlich dieses Windloch. Azorenhoch! Aber es regnet nicht.

Samstag, 08.06.2013, 12.00 Uhr UTC
Gefangen im Azorenhoch! 5 Tage Flaute, unsere Etmale waren: 59, 66, 18, 65, 43, wobei die zwei 60er Etmale nur mit Hilfe unseres Motors zustande kamen, da wir einmal 5 Stunden wegen Strom und einmal die ganze Nacht durch unter Motor gelaufen sind, damit wir mal das Gefühl bekamen, vorwärts zu kommen. Flaute muss man aushalten können. Wir haben lange dafür gebraucht. Die letzte Nacht konnten wir mit 2 Knoten (in Worten: zwei) segeln. Man freut sich auch über Kleinigkeiten. Seit heute Morgen frischt der Wind auf und so wie es aussieht wird er in den nächsten 2 Tagen noch weiter auffrischen. Augenblicklich segeln wir mit 4,5 Knoten und wenn wir Glück haben, sind wir in 2,5 Tagen endlich da.

Montag, 10.06.2013, 09.00 Uhr UTC
Noch 35 Seemeilen bis zum Wegepunkt. Heute kommen wir an, wird auch Zeit. Die letzte Nacht war angenehm, nur 10-15 kn Wind, Augenblicklich 15-20 kn. Gestern war es dafür ganz schön heftig, 25 kn Wind, in Böen auch mal 30 kn und durchschnittlich 3-4 Meter hohe Wellen. Es gab auch welche, die waren deutlich höher. Es ist schwer, die genaue Höhe abzuschätzen, aber wenn man im Cockpit steht und in einem Wellental war, reichte der Kamm der nächsten Welle deutlich über unseren Kopf. 6-7 kn Fahrt waren keine Seltenheit, die Welle runter auch mal 10 kn. Als ob der Wind sagen wollte, „die Zeit der Flaute holen wir wieder ein“, aber so eilig hatten wir es eigentlich gar nicht. Augenblicklich beeilen wir uns allerdings in den Hafen zu  kommen, da der Wind die Welle gegen Abend wieder zunehmen soll. In ca. 7-8 Stunden sind wir fest vor Anker. Dann werden wir mal wieder mehrere Stunden am Stück schlafen! Heute ist der 20. Tag auf See und wir merken, dass wir ganz schön geschafft sind, gerade bei so starkem Wind. Groß reffen, Fock raus oder rein, alles strengt ganz schön an.

Ein kleines Fazit:
Auf dieser Fahrt haben wir fast alles gehabt, nur zum Glück keinen Sturm: Erst Motorboot fahren, dann Segeln hoch-am-Wind, Flaute, jetzt Wind bis 30 kn mit entsprechender Welle, Sonne und Regen, 3 Schildkröten, jede Menge Delfine, ein Wal direkt neben dem Boot, verschiedene Quallen und wahrscheinlich einen Hai, da sind wir nicht ganz sicher. In der Flaute die Sorge nicht weiter zu kommen, bei starkem Wind die Sorge, dass es noch mehr wird und immer auch die Sorge, dass etwas kaputt geht. Im Vergleich zu dieser Strecke war die Atlantiküberquerung im Passat die reinste  Erholung, obwohl wir dort auch immer viel Wind hatten. Defekte: Wir Reparaturgeplagten hatten Glück. Der Schäkel vom ersten Reff hat sich gelöst und die Reffleine fiel runter. Aber sowohl Schäkel als auch Bolzen lagen ordentlich auf dem Vorschiff. Im Salon hat sich die Pertroleumlampe aus der Aufhängung gelöst und ist auf den Tisch gefallen. Hier lagen aber unsere Sachen für die Nachtschicht, also nichts passiert, da auch kein Öl in der Lampe war. Sonst nichts!!!


Montag, 10.06.2013, 16.45 Uhr UTC
Wir sind fest, froh und auch ein bischen stolz, es geschafft zu haben.


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